Hallo Leute,
Besitzer von Hanseat-Autos werden sicherlich bei der Ersatzteilsuche schon die leidige Erfahrung gemacht haben, dass Hanseat nicht gleich Hanseat ist.
Es gibt einige deutliche Baujahrsunterschiede, die den Austausch von Teilen unmöglich machen.
Aber auch für den Nicht-Hanseat-Bastler - für den historisch interessierten Tempo-Freund - will ich hier eine Reihe von Unterschieden aufführen, die auch den (bisherigen) Nicht-Kenner zeigen, wie ich einen Hanseat Bj. 51 (hier FG-Nr. 447 390) von einem Hanseat ab Bj. 53 (hier FG-Nr. 459 554) äußerlich schnell unterscheiden kann.
Da ich (noch) über einen 51er Hanseat (447 390) verfüge und auch einen weitgehend originalen Bj. 56 (459 554) habe, kann ich dies problemlos durchführen. Mein 1956er Hanseat entspricht dem Modelljahr 1953. Da hat sich technisch nichts mehr geändert.
Es wird aber einige Zeit in Anspruch nehmen, da ich an meinen 56er erst wieder richtig herankomme, wenn der 51er einen neuen Besitzer gefunden hat.
Geschichtliches:
Als Tempo im Jahre 1948 das 1949er Modell des Tempo A400 vorstellte, ging es sicherlich in erster Linie darum, sich marketing-politisch von der "Kriegs-Ware" abzusetzen. Verbunden damit war folgerichtig auch eine neue Bezeichnung für das alte Fahrzeug.
Im Grunde genommen war das Modell 1949 nicht viel anders, als der Vorkriegs A400 mit neuer Motorhaube und neuer Bezeichnung.
Das neue Motorhauben-Design war wichtig für die Akzeptanz: Es handelt sich um ein neues Auto - um Friedensware!
Der Motor war noch der bekannte
Ilo-Nasenkolben-Zweizylinder mit 12,5 PS, mit Anlasser und Lichtmaschine. Der Dynastarter war passé. Als Achsen wurden weiterhin die bewährten, im Gesenk geschmiedeten Teile des Vorgängermodells verwendet. Die Befestigung der beiden Halbachsen erfolgt über
einen zentralen Bolzen, der mit einem Schmiernippel versehen ist. Die Achsverstrebung war aus gepresstem Stahlblech.
1949 war aber auch das Geburtsjahr des großen
Tempo-Matadors mit VW-Motor. Erstmals verwendete Tempo anstatt eines einzelnen Rohres nun zwei Rohre für das Fahrgestell. Beim Matador wurden hinten Doppelspiralfedern eingebaut. Außerdem waren die Halbachsen nun ebenso Rohre wie das Fahrgestell, nur mit anderem Durchmesser. Das war genial, denn nun konnte auch die Spur individuell nach Anforderung geliefert werden, nicht mehr nur der Achsstand. Beim Matador erfolgt die Lagerung der Achshälften in zwei Gummimetalllagern, je eines für jede Seite. Diese Lager sind wartungsfrei - Schmiernippel existieren hier nicht. Als Spurstangen dienen an beiden Enden mit Gelenkköpfen versehene dünnere Stahlrohre.
Diese Änderungen flossen dann auch in das 1950er Modell des Hanseat ein. Ab jetzt wurde die Hinterachs-Konstruktion des Matadors auch für den Hanseat verwendet. Rohrachsen, doppelte Schraubenfedern, Spurstangen mit je zwei Gelenkköpfen und
zwei wartungsfreie Achslager. Das Dreirad behielt jedoch das einzelne Zentralrohr.
Inspiration für die Änderung der Hinterachsen war m. E. die Vorderachse des 600er Tempos. Bei diesem wurden für die vorderen Halbachsen schon vor dem Krieg Rohre verwendet. In den Rohren rotierten die Antriebswellen für den Frontantrieb.
Als Motor werkelte nun ein
Flachkolben-Ilo mit 14 PS. Das Getriebe wurde mit vier Vorwärtsgängen geliefert.
Äußerlich nicht sichtbar war die starke Duplex-Kette zwischen Getriebe und Vorderachse (anstatt Einfach-Kette), sowie die Triplex-Kette zwischen Motor und Getriebe (anstatt Duplex-Kette).
An der Karosserie änderte sich nichts. Äußerlich fiel der 1950er nur durch das erstmals verwendete "Motorhaubenschwert" auf.
Um das geänderte Fahrgestell sofort zu erkennen, muss man den "technischen Blick" haben.
Das 1951er Modell war wohl das technisch ausgefeilteste und am weitesten entwickelte Tempo-Dreirad, das überhaupt gebaut wurde.
Größter optischer Unterschied zum 1950er Modell war das nun eingeführte Runddach.
Wer mit Tempo-Dreirädern schon auf schlechten Wegstrecken unterwegs war, wird vielleicht auch schon wie ein Flummi in der Kabine auf und nieder gehüpft sein. Unangenehme Kontakte mit dem flachen Kabinendach waren da keine Seltenheit.
Nach außen gedrückte Dellen im Kabinendach zeugen bei einigen Flachdächern von ungenügenden Nachkriegs-Straßenverhältnissen.
Also war diese Änderung längst überfällig.
Außerdem wurde noch eine höhere Frontscheibe eingebaut - die Menschen wurden größer.
Ab nun (445 780) wurde auch der
15-PS-Heinkel-Motor geliefert.
Es ist zu vermuten, dass der Heinkel-Motor zuerst entweder auf Wunsch oder sporadisch parallel mit dem
14-PS-Ilo-Motor verwendet wurde, da erhaltene Fahrzeuge gleichen Baujahrs unterschiedliche Motoren aufweisen. Im Ersatzteilkatalog ist zwar ab FG: 445 780 der Heinkel-Motor genannt, aber es existieren auch Fahrzeuge mit Ilo-Motor, die danach gebaut wurden, bzw umgekehrt.
Leider schreiben die "Historiker" immer wieder den gleichen Unsinn voneinander ab, dass der 15-PS-Heinkel mit Schnürle-Umkehrspülung erst ab 1953 eingebaut wurde. Das ist falsch!
Außerdem wurde nun anstatt der Duplex-Kette zwischen Motor und Getriebe eine Triplex-Kette verwendet. Zwischen Getriebe und Vorderrad rollt nun eine Duplex-Kette.
1953 brachte Tempo dann den
Wiking heraus. Er war ein niedrigpreisiges, vierrädriges Fahrzeug, das sowohl im VW-Bulli- als auch im Dreirad-Segment mitmischen sollte.
Der bisherige Preis für den
Hanseat unterschied sich nun nicht mehr wesentlich von dem des neuen Modells
Wiking. Der Hanseat-Preis musste also gesenkt werden, um auch im eigenen Hause mit diesem Produkt weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.
Tempo pries seinen "Hanseat 53" als hochwertige Weiterentwicklung der bisherigen Modellreihe an.
Wenn man ihn sich jedoch von der technischen Seite betrachtet, so sind es fast ausschließlich primitive Vereinfachungen, die zur Preissenkung geführt haben. Die einzig relevanten Weiterentwicklungen waren m. E. die Einführung der Öldruckbremse, das gummigedämpfte große Kettenrad und der neue Starter-Vergaser 1/24/53.
Die Einführung der Öldruckbremse führte allerdings auch dazu, dass nun eine Nutzlast von 0,9 Tonnen möglich war. Dazu wurde auf Wunsch die Bereifung auf 6.00-16 vergrößert. Die alte Nutzlast mit 0,79 Tonnen bei Bereifung 5.50-16 war weiterhin Standard.
Wurden beim "Hanseat 51" z. B. noch Blechplatten und eine zusätzliche Pressstoffplatte (Hartpappe) als Rückwand eingebaut, so war das beim "Hanseat 53" nur noch die einfache Pressstoffplatte ohne Blech. Auch die Türverkleidungen waren nun aus Pressstoff anstatt wie vorher aus Sperrholz. Ab jetzt wurden die Türverkleidungen mit Blechschrauben, anstatt mit Gewindeschrauben befestigt.
Die Kette zwischen Getriebe und Vorderachse war wieder einfach, die Kette zwischen Motor und Getriebe wieder in Duplexausführung.
Das Fahrgestell wurde an die einfachere Konstruktion des Tempo Wiking angepasst. Es gab wieder einen Zentralbolzen mit Schmiernippel und einfache Federn. Die Spurstangen waren nur noch einfache, in Gummi gelagerte Rohre ohne Gelenkkopf.
Achtung für Bastler:Ab 1953 wurden andere Türscharniere verwendet! Türen vom "Hanseat 53" sind für ältere Modelle unbrauchbar und umgekehrt.
Hier zuerst die Türscharniere des Hanseat '51:
Oberes Türscharnier mit 2/3 Ösen bei meinem Hanseat '51
Unteres Türscharnier mit 2/3 Ösen meines Hanseat '51Nun die Türscharniere meines 1956er Hanseat (entspricht Hanseat '53):
Oberes Türscharnier mit 1/2 Ösen bei meinem 1956er Hanseat (Hanseat '53)
Unteres Türscharnier mit 1/2 Ösen meines 1956er Hanseat (Hanseat '53)Ich glaube, aus diesen Bildern wird deutlich, dass ein Türwechsel zwischen den Baujahren zu echten Problemen führt!
Also: Aufpassen bei der Ersatzteilbeschaffung!
Fortsetzung folgt (aber nicht so schnell...)!
Gruß
Uwe