Erste und letzte Bilder von meinem 1956er Hanseat - 459554Hallo Leute,
offiziell war 1956 das Ende des Hanseat-Vertriebs für den deutschen Markt.
Mein Hanseat müsste also eigentlich einer der letzten sein, die noch in Deutschland für deutsche Kunden produziert wurden.
Fahrgestell-Nr. 459 554 (kennt jemand eine höhere Nummer?)
Inoffizielle Tatsache ist aber, dass jeder, der unbedingt noch einen Hanseaten haben wollte, diesen auch bekam.
Mir ist z. B. ein Hanseat Bj. 1957 in Erinnerung, der früher hin und wieder auf Treffen zu sehen war.
In Harburg wurden für den Export Hanseaten noch bis zur Verschiffung der Produktionsanlagen nach Indien produziert.
Der 1956er unterscheidet sich nicht mehr von dem "Auslaufmodell 1953". Die Technik entspricht diesem.
Als ich mir Anfang der 1980er meinen 1951er Hanseaten (447390) quasi aus der Nachbarschaft besorgt hatte (der blaue, den kennt Ihr -
hier klicken), kam ziemlich schnell ein zweites Exemplar hinzu.
Es war ein Kollege, der mir erzählte, dass auf dem Nachbargrundstück so ein Wagen, unter einem Haufen Schrott und einer Plane (Gott sei dank) begraben, stehen würde.
Ich war damals natürlich sofort Feuer und Flamme!
Mein Kollege machte mit seinem Nachbarn einen Termin ab und ich fuhr mit einem Freund gespannt nach Garbsen-Havelse - natürlich mit meinem 1951er Hanseat als Transportmittel.
Es war eine ländliche Wohnsiedlung in Havelse mit größeren Grundstücken, also Siedlungshäuser der 1930er bis hin in die 1960er Jahre.
Dort wohnte damals der alte Herr Gl.
Herr Gl. war damals schon über 90 Jahre alt, machte aber einen ganz rüstigen Eindruck und war sichtlich erfreut, als er bemerkte, dass wir mit einem Hanseat gekommen waren.
Er hatte seinen Tempo schon frei vom Schrott geräumt, eine große Menge an geflochtenen Bienenkörben standen drum herum. Eigentlich ein malerisches Bild, aber ich machte leider keines.
Ich war sofort begeistert, denn der grüne Wagen machte gar keinen so schlechten Eindruck.
Herr Gl. war professioneller Imker (i. R.), deshalb die vielen Bienenkörbe.
Er brachte mit dem Tempo seine Völker von Garbsen in die Heide oder an andere Standorte. Nach der Ernte wurde der Honig hauptsächlich auf Wochenmärkten verkauft. Der Tempo musste die Transportleistungen übernehmen:
Erst die Bienenkörbe in die Heide, dann die in Gläser abgefüllte Ernte auf den Wochenmarkt...
Also müsste ich diesen Wagen noch aus meiner frühesten Kindheit kennen, denn auf unserem Wochenmarkt in Hannover-Herrenhausen, nicht weit von Havelse, war ich (fast) jeden Samstag.
Auf meine Frage, warum er sich noch 1956 ein Tempo-Dreirad und nicht den moderneren Goli gekauft habe, antwortete er, dass er eben Tempo fahren wollte.
Er war (vor 1956) schon immer Tempo gefahren und sehr zufrieden gewesen wäre. Er wollte eben einen Tempo und keinen Goliath haben (Anm.: Der Goli war auch eine kleine Summe teurer...).
Dieser Hanseat stand dann auch mehr als 20 Jahre in seinen Diensten und diente ihm sogar als PKW - bis er unter der Plane verschwand.
Ein "normaler" PKW wurde nicht angeschafft, der Tempo reichte aus, um sämtliche Besorgungen zu erledigen.
Deshalb wurde das Fahrerhaus für kalte Tage mit einer Bosch-Heizung ausgerüstet und die Windschutzscheibe wurde bei Bedarf mit einer Scheibenheizung elektrisch beheizt.
Neu gekauft hatte er ihn bei dem hannoverschen Hanomag-/Tempo-Händler "Reinhardt und Sebesse", der später BMW-Fahrzeuge vertrieb. Für mich also ein "Gebrauchter" aus erster Hand.
Originale Händler-Plakette, angebracht an der Pritsche auf der Beifahrerseite - die Schrauben könnten gegen schönere getauscht werden Herr Gl. wollte, dass sein treuer Wagen erhalten bleiben würde und übergab ihn mir. Wenig später holten wir ihn dann aus Havelse ab.
Irgendwann kam dann die Nachricht von meinem Kollegen, dass der betagte Herr Gl. nun verstorben wäre.
Der 1956er wurde zuerst in einer Scheune untergestellt, bis ich mir eine Doppelgarage gebaut hatte.
Drei "Schrott-Tempos" - Boy 1951 - Hanseat Hebmüller-Woody (jetzt Nobbi) - Hanseat 1956 (jetzt Tempo-Bürki)Oben sieht man meine drei "Schrott-Tempos", die rechts in der Scheune untergestellt waren. Den 1956er habe ich mit dem Pfeil markiert.
Mein 1951er war zu diesem Zeitpunkt fahrbereit und ich habe ihn sehr viel gefahren. Bei schönem Wetter war ich eigentlich nur mit Tempo unterwegs.
Ich muss noch mehr alte Fotos haben, aber die sind leider verschollen.
In den 1980er Jahren begann ich mit der Restaurierung in der Doppelgarage, die aber aufgrund meines Umzugs in ein (ebenfalls restaurierungsbedürftiges) altes Haus Bj. 1890 nicht mehr weiter fortgesetzt wurde.
Dann kamen Beruf, Familie etc. Ich schaffte es nicht, mich noch weiter um ihn zu kümmern.
So stand er dann halbfertig in der allerletzten Ecke der Garage, ganz eng an die Wand gerückt und schlief dort mehr als ein 1/4-Jahrhundert. Bis jetzt.
Heute kam er erstmals nach dieser langen Zeit wieder ins Freie und ich habe ihn erst einmal notdürftig gereinigt und untersucht.
Hanseat 1956 - wieder im Licht - mit heute sehr seltener hoher BordwandDie gute Nachricht ist:
Es hat sich nirgends wesentlicher Rost gebildet! Trotz mehr als 25 Jahre ohne Pflege. Meine Konservierungsarbeiten können also nicht so schlecht gewesen sein.
Die schlechte Nachricht ist:
Die Maschine bewegt sich nicht mehr. Das Dach der Garage war undicht geworden. Dadurch tröpfelte lange Zeit unbemerkt Wasser direkt auf den Motor des Tempo.
Der neue Besitzer wird also Arbeit mit dem Motor haben.
Das ist sehr ärgerlich, weil ich den in den 1980ern völlig überholt hatte. Zylinder aufbohren, neue Kolben 1. Übergröße, Kurbelwelle neu gelagert, Motor frisch lackiert.
Er lief damals prima und ich konnte ihn auch auf Privatgrundstücken (ohne Zulassung), ein bisschen aus eigener Kraft bewegen.
Haube auf der Hochpritsche mit der seltenen hohen Bordwand - dazwischen Frontscheibe mit DichtungEine kleine Besonderheit ist die hohe Bordwand. Solche hohen Bordwände sah man früher nicht selten. Heute ist das sehr rar und es sind nicht viele Fahrzeuge damit bekannt. Ich war stolz darauf, eine solche Variante entdeckt und in meinem Besitz zu haben.
Angelehnt an die Bordwand sieht man die Frontscheibe mit Dichtung. Dahinter ist die Motorhaube zu sehen, die eigentlich nur noch von außen lackiert werden muss. Von innen ist sie bereits lackiert. Irgendwo müssen auch die schmalen Alu-Zierleisten, Tempo-Emblem und Hanseat-Schriftzug liegen.
Ab 1953 hatte Tempo das schöne und begehrte "Chrom-Schwert", die dicke Zierleiste auf der Motorhaube, leider eingespart. Ersatz dafür waren dünne Alu-Leisten.
Heckansicht mit ARAG-Emblem - das war von Herrn Gl. 1956 befestigt wordenNotwendige Arbeiten (was mir gerade jetzt schnell einfällt):
Prüfung, ggfs. Austausch der großen Antriebskette
Bremsleitungen ersetzen (hydraulisch), -zylinder prüfen/honen, -backen sind neu belegt
Handbremse funktionsfähig
Motor dreht nicht
Getriebe dreht
Kühlwasserschläuche ersetzen
Elektrik (Verdrahtung), keine Batterie
Anlasser aufarbeiten
Zentrallager Hinterachse erneuern (Bolzen ist neu)
Spur einstellen
Haube schleifen, lackieren (Resedagrün - RAL6011)
Schloß Fahrertür fehlt
Außenspiegel (zwei Tellerspiegel) fehlen
Scheibenwischer fehlt, Wischermotor vorhanden
Warnblinkanlage fehlt (6V)
Türschachtdichtung Fahrerseite erneuern - gibt es als Nachfertigung
Reifen für Vorderrad fehlt
Ggfs. Reifen/Felge für Ersatzrad (empfehlenswert)
Vorhanden, aber nicht eingebaut:
Zwei Scheinwerfer, einer neu, einer zum Aufarbeiten
Frontscheibe mit Dichtung
Ansauggeräuschdämpfer/-filter, funktionsfähig - für Vergaser 1/24/53 (der ist auch eingebaut)
Alu-Zierleisten für Motorhaube zum Aufarbeiten
Tempo-Emblem zum Aufarbeiten
Hanseat-Schriftzug zum Aufarbeiten
Schaltschema-Schild für Spritzwand
Scheibenwischermotor zum Aufarbeiten
2. Zündspule
Ersatzrad-Verriegelung
Elektrische Frontscheibenheizung zum Aufarbeiten
Sonstiges:Schalter für Fahrtrichtungsanzeiger ist ein Zweikreisschalter! Damit können Winker und Blinker geschaltet werden. Ein Ein-/Ausschalter muss dazu eingebaut werden (für Warnblinkanlage!)
Winker müssen ggfs. beschafft werden.
Schloß fehlt - wer hat eines übrig?Ich erinnere in diesem Zusammenhang nochmals an
meine Suche nach Türschlössern.
Hat nicht doch jemand eines in einer dunklen, verstaubten Kiste liegen?
Ich werde ihn nun verkaufen, da ich keine Zeit für die weitere Aufarbeitung habe.
Wie Ihr bereits wisst, will ich mich nur noch um die Aufarbeitung meines Tempo Boy und des Borgward FW200 kümmern.
Da habe ich noch Arbeit genug und ich werde sicher nicht so alt, wie der Vorbesitzer werden (über 90 Jahre).
Aber vorerst muss das Dach der Garage erneuert werden.