Details für Dreirad-Insider

Hallo Leute,

das dürfte wohl nur hartgesottene Dreirad-Spezialisten interessieren! Ich finde diese Details sehr bemerkenswert.

Anlaß für diesen Artikel ist mein 1951er Boy, der eine unbeachtete und unbekannte Besonderheit hat und damit in gewisser Weise ein Exot unter den heute noch vorhandenen Tempo-Dreirädern ist.


Mein 1951er Boy - fotografiert in den 1970ern

Mir ist kein noch existierendes zweites Fahrzeug mit diesem Merkmal bekannt. Er hat das Runddach in Verbindung mit der hohen Frontscheibe.
Ist doch bei allen so, oder?
Na und?
Was macht ihn denn besonders?
Gemach, gemach!
Der Unterschied ist nur eine unauffällige Kleinigkeit. Dazu die folgende Geschichte:

Jeder von uns weiß, dass die Tempo-Wagen - im Gegensatz zu den Goliath - nicht vom Fließband liefen.
Sie wurden in Handarbeit, in Teamwork und an einzelnen Arbeitsplätzen zusammengeschraubt, zusammengeschweißt, zusammengenietet.

Dadurch ergibt sich viel Spielraum für Änderungen, für Besonderheiten, für Varianten, für Experimente, die oft erst auf den zweiten Blick auffallen.

1951 war der Übergang vom Flachdach zum Runddach-Tempo.
Der Flachdach-Tempo wird immer mit der flacheren Frontscheibe, der Runddach-Tempo hingegen mit der neuen höheren Frontscheibe, in Verbindung gebracht.
Offenbar hat man damals jedoch auch experimentiert, bis man die bleibende Serienausführung, die sogar noch in Indien produziert wurde, gefunden hatte.

Ich denke, dass keinem von Euch auf dem zugegebenermaßen auch nicht ganz scharfen Foto oben eine Besonderheit aufgefallen ist?
Runddach in Verbindung mit der hohen Frontscheibe! Ganz normal, aber was noch?

Zuerst schauen wir mal zur Konkurrenz:


Regenrinnen-Verlauf beim Goliath GD750

Der Goliath GD750 hatte ja von Anfang an ein Runddach. Die Regenrinne verläuft über der Tür und endet vorn mit Gefälle an der Frontscheibendichtung.

Schaut Euch jetzt noch einmal das Bild von meinem Boy oben an! Fällt Euch etwas auf?
Ja! Dieser Tempo hat den gleichen Regenrinnen-Verlauf, wie der Goliath GD750!
Schon seltsam, oder nicht?

Wie ist denn der Verlauf der Regenrinne normalerweise?


Normaler, serienmäßiger Regenrinnen-Verlauf, hier an einem Runddach-Hanseat

Normalerweise lief die Tempo-Regenrinne nicht mit Gefälle bis zur Frontscheibendichtung.
Sie war nach unten gezogen und lief vor der Tür verlängert bis unterhalb der Tür. Diese Konstruktion sollte verhindern, dass während der Fahrt Regenwasser vom Fahrtwind in den Türspalt getrieben wird, wie es bei den Flachdach-Tempos noch üblich war.

Zum Verdeutlichung zwei Fotos meiner beiden verkauften Hanseaten (1951+1956) in Normalausführung:


1951er Hanseat mit Runddach, großer Frontscheibe und Standard-Regenrinne


1956er Hanseat mit Runddach, großer Frontscheibe und Standard-Regenrinne

Und nun noch ein Bild meines 1951er Boy mit der "Goliath-Ausführung":


Der Boy 1951 mit Regenrinnen-Verlauf wie beim Goliath

Dass es sich nicht um eine Phantasie-, Freelance- oder Umbau-Version handelt, zeigt das folgende Prospektbild von 1951:


Frühes Hanseat-Prospekt mit Runddach, großer Frontscheibe und "Goliath-Regenrinne"

Hier ist an einem Hanseat genau diese "Golaith-Version" der Regenrinne verewigt.
Dieser Hanseat auf dem Bild hatte jedoch im Gegensatz zu meinem Boy noch eine zusätzliche, nach unten vor der Tür verlaufende Alu-Regenleiste, die aufgeschraubt war.
Die lange Serien-Regenrinne war im Gegensatz dazu jedoch aus gepresstem Stahlblech und mit der A-Säule verschweißt.
Meinem Boy fehlt diese nach unten gezogene Regenrinne völlig. Er entspricht dort den Vorgänger-Modellen mit Flachdach.

Das Dach meines Boy ist an den Rändern ziemlich löchrig gerostet. Selbstverständlich werde ich diese seltene Ausführung der Regenrinne wieder herstellen.


Prospektabbildung eines Tempo Hanseat - auch seltsam!

Hier folgt noch eine andere interessante Besonderheit:
Der Hanseat auf dem oberen Prospektbild hingegen hat diese schützende Regenrinne in Normalausführung.
Aber - was fällt Euch da auf?
Dieser Runddach-Hanseat hat eindeutig noch die flache Frontscheibe!
Hier wurde noch nicht die höhere Frontscheibe eingebaut, die beim Hanseat 1951 kam und dann ab 1953 kurzzeitig für den schmalen Karpfenmaul-Wiking verwendet wurde. Diese Frontscheibe wurde für den Hanseat noch in Indien so eingebaut.
Anmerkung: Der schmale Karpfenmaul-Wiking bekam allerdings wenig später in Verbindung mit den unterhalb der Windschutzscheibe angeschlagenen Scheibenwischern eine noch weiter vergrößerte Frontscheibe.

Ich denke, dass selbst den hartgesottenen Dreirad-Spezialisten diese Details noch nicht bekannt waren.
Oder doch?
Kennt jemand einen weiteren, noch existierenden Runddach-Tempo mit der "Goliath-Regenrinne" (Hanseat oder Boy)?
Kennt jemand einen weiteren Runddach-Tempo mit flacher Frontscheibe?

Natürlich könnte es möglich sein, dass bei Reparaturarbeiten - nach Unfällen - auf einem Flachdach-Tempo ein Runddach als Ersatz gebaut wurde.
Aber, dass Tempo diese beiden Prototypen in frühen Prospekten verewigt hat zeigt, dass sie so auch existierten und verkauft wurden.